Alltagshelfer

Die vielen Hilfen des Herrn Wang

An der Kölner Gemeinschaftsgrundschule Konrad-Adenauer-Straße sorgt ein Alltagshelfer für Entlastung. Welche Arbeit er den Lehrkräften abnimmt – ein Besuch.

Wenn Zirkeltraining auf dem Programm steht, geraten Sportlehrerinnen und -lehrer oft schon vor dem Unterricht ins Schwitzen: Kästen schieben, Medizinbälle schleppen und dabei die Kinder im Blick behalten. Für den Auf- und Abbau der Stationen geht schnell ein Großteil der Unterrichtszeit drauf. In der Sporthalle der städtischen Gemeinschaftsgrundschule Konrad-Adenauer-Straße im Kölner Hochhausviertel Finkenberg läuft die Vorbereitung an diesem Morgen dagegen wie von selbst: Während die Erd­männchen­klasse im Kreis um ihre Lehrerin sitzt, die in Ruhe die Stationen erklärt, holt Hung-Sung Wang Springseile aus dem Schrank, legt bunte Reifen aus und rückt Matten zurecht. Keine fünf Minuten später flitzen die Schülerinnen und Schüler los und verteilen sich in der Halle.

Wang, 52 Jahre alt und gelernter Physio­therapeut, hat neuerdings einen Beruf, der erst kürzlich geschaffen wurde. „Alltagshelfer“ nennt sich sein Job. Doch was nach „kleinem Licht“ oder Hilfskraft klingt, wird der Bedeutung, die seine Arbeit für das Grundschul­team hat, nicht gerecht. „Herr Wang ist einfach super. Er sieht, was zu tun ist, und macht alles, was anliegt. Seine Hilfe ist für uns von unschätzbarem Wert“, sagt Schulleiterin Gina Hellerling.

Im Sportunterricht kommen einige Sportgeräte und Utensilien zum Einsatz. Hung-Sung Wang bereitet viel vor – das entlastet die Lehrkräfte. 

Wang, der aus Taiwan stammt, ist zur Stelle, etwa wenn es ums Drumherum im Sportunterricht geht. So bleibt mehr Zeit für den eigentlichen Unterricht.

Gemütlicher Rückzugsraum: ein Ort, den die Kinder sehr mögen. Die Grundschule hat den Sozialindex 9 – die Herausforderungen sind groß.
„Seine Hilfe ist für uns von unschätzbarem Wert“: Schulleiterin Gina Hellerling ist froh, einen Alltagshelfer an ihrer Schule zu haben.

Entlastung für die Lehrkräfte

„Alltagshelferinnen und Alltagshelfer sollen Lehrkräften eine spürbare Entlastung und Unterstützung anbieten, indem sie verschiedene Alltagsaufgaben übernehmen“: So lautet die Job­beschreibung des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, das das Projekt „Alltags­helferinnen und Alltagshelfer“ 2023 an Grund- und Förderschulen sowie in den 5. und 6. Klassen an Haupt- und Realschulen eingeführt hat. Der Arbeitsalltag der Lehrkräfte ist durch eine Vielzahl von Tätigkeiten geprägt, die über die Kern­tätigkeit des Unterrichtens hinausgehen. Ziel des Projektes ist es daher, Lehrkräften „eine spürbare physische und psychische, alltags­taugliche und zeitnahe Entlastung“ anzubieten. Im Juni 2024 waren bereits 1.537 Alltagshelferinnen und -helfer im Einsatz. Unterstützung erhalten allerdings nur Schulen, die nicht besetzte Lehr­kräfte­stellen haben.

Als Schulleiterin Hellerling von dem Angebot hörte, musste sie nicht lange überlegen. „Wir nehmen jede Hilfe an, die wir bekommen können, denn wir sind mit vier Stellen unterbesetzt“, sagt sie. Ein Blick aus dem Fenster lässt erahnen, dass sie es an ihrer Schule mit besonderen Herausforderungen zu tun hat. Schmucklose Hochhäuser reihen sich aneinander, Grünanlagen, Spiel- oder Sportplätze sucht man vergeblich. Sperr­müll türmt sich auf den Gehwegen. Der Anteil der Menschen mit Migrations­hintergrund ist hoch, an der Grundschule mit Sozialindex 9 sind es 99 Prozent. Rund ein Drittel der Schülerschaft hat sonder­pädagogischen Unterstützungs­bedarf, mehr als 80 Prozent der Familien beziehen staatliche Sozialleistungen. „Bei uns fällt einfach mehr Arbeit an“, sagt Hellerling.

„Herr Wang nimmt da unheimlich viel Stress raus“

An diesem Tag beispielsweise steht die Schuleingangsuntersuchung an. Schilder weisen den Weg zu den Räumen, trotzdem irren viele Eltern mit ihren Kindern in den Gängen umher, weil sie die Hinweise nicht verstehen. Wang weist den Suchenden den Weg. Später kopiert er stapelweise Arbeits­blätter und assistiert beim Sport­unterricht. In der Pause dreht er das Springseil, schlichtet nebenbei einen Streit. An anderen Tagen holt er die Fahrräder für die Verkehrserziehung aus dem Container, verteilt Helme und erklärt, wie man bremst und das Licht ein­schaltet. „Fahrräder raus, Fahrräder wieder rein und gleichzeitig die Kinder beaufsichtigen – das hält im Schulalltag unfassbar auf. Herr Wang nimmt da unheimlich viel Stress raus“, sagt Hellerling.
Kopieren & Co: Der Alltagshelfer sieht, was zu tun ist. Die Lehrkräfte können aber auch in Listen eintragen, wobei sie seine Hilfe brauchen.

Häufig unterstützt der Alltagshelfer auch Kinder beim Üben im Unterricht. An drei Tagen pro Woche beaufsichtigt er die Schulbücherei und berät bei der Buchauswahl. Wenn ein Schulausflug ansteht, ist der dreifache Vater als Begleiter dabei. Manche seiner täglichen Aufgaben stehen fest, für andere tragen sich die Lehrerinnen und Lehrer in Listen ein. Vor allem aber packt Wang von selbst mit an, wenn er irgendwo helfen kann. „Alles, was früher die Lehrerinnen und Lehrer nebenbei machen mussten, ist jetzt mein Job“, so der Alltagshelfer.

„Hier habe ich das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.“

Gut mit Kindern können

Was ihn für diese Arbeit qualifiziert? Diese Frage, sagt Wang, habe er sich gestellt, als er über eine berufliche Veränderung nachdachte. Denn formale Voraus­setzungen gibt es für Alltags­helferinnen und Alltagshelfer nicht. „Aus meiner Sicht müssen sie gut Deutsch sprechen und die Arbeit von alleine sehen. Außerdem sollten sie gut mit Kindern umgehen können und ein positives Menschenbild haben. Das war mir wichtig“, beschreibt Hellerling ihre Anforderungen.
Anpacken, wo Hilfe benötigt wird: Unterstützung durch Alltagshelferinnen und Alltagshelfer erhalten nur Schulen, die nicht besetzte Lehrkräftestellen haben.
Die Gemeinschafts­grundschule Konrad-Adenauer-Straße trotzt dem Grau des Viertels mit einer freundlichen Innengestaltung.
Bücher mag Alltagshelfer Hung-Sung Wang sehr. Dreimal die Woche hilft er in der Schulbücherei aus und berät Kinder bei der Buchauswahl.

Dass Wang die Arbeit mit Kindern Spaß macht, hat er in seinem früheren Beruf festgestellt. Auch sein Sinn für Humor und der Zuspruch seiner Töchter, es doch einfach zu versuchen, sprachen aus seiner Sicht für den Job. Weil die Chemie beim Vorstellungsgespräch stimmte, hospitierte Wang zwei Wochen lang, dann ging es los. Und nach nur drei Monaten hat sich der Alltagshelfer mit seiner zupackenden Art an der Schule schon unverzichtbar gemacht.

Auch Wang selbst hat das Gefühl, an der richtigen Stelle zu sein. „Ich wurde hier mit offenen Armen empfangen und fühle mich wertgeschätzt“, sagt er. Das soziale Umfeld hat ihn nicht abgeschreckt – im Gegenteil: „Hier habe ich das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.“ Dass er als Kind aus Taiwan nach Deutschland kam, empfindet er als Vorteil. Er kann sich einfühlen in die Mädchen und Jungen, die noch wenig Deutsch sprechen. Bei den Kindern kommt Wang deshalb gut an. Als er vor dem Sportunterricht noch schnell losläuft, um die Papierhandtücher in den Toiletten aufzufüllen, winken sie ihm bei seiner Rückkehr schon von Weitem zu.

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