Hinter der schweren Tür riecht es typisch nach Turnhalle: eine Mischung aus Gummi, verbrauchtem Sauerstoff und Käsefüßen. Mädchen und Jungs im Teenageralter dribbeln den Basketball gekonnt in Richtung Korb, Sportschuhe quietschen auf dem blauen Bodenbelag. Wieder ein Treffer! Während in der Sporthalle der Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg lautstark trainiert wird, ist es in einer Ecke auffällig still. Hier macht Paula nur leichtes Krafttraining. Die Basketballerin ist am Wochenende bei einem Spiel umgeknickt, ihr linker Fuß ist bandagiert. Beim Training ist die 17-Jährige trotzdem dabei.
Nicht aufgeben, sich nicht unterkriegen lassen. Dieses Mindset wird an der Startchancen-Schule mit dem Hamburger Sozialindex 2 (auf einer Skala von 1 bis 6 steht die 1 für Schulen, die vor allem Kinder aus benachteiligten sozioökonomischen Verhältnissen beschulen), an der 400 sogenannte Sporteliteschülerinnen und -schüler trainieren, täglich gelebt. Für ihre erstklassige Arbeit in der Sporteliteförderung wurde der ATw, wie man die Schule auf dem Dulsberg gemeinhin nennt, im Oktober 2024 vom Deutschen Olympischen Sportbund zur „Eliteschule des Jahres 2023“ gekürt. „Eliteschule des Sports“ ist sie bereits seit 2007 (s. auch Infokasten).
Eine Schule für alle
Nachwuchssportlerinnen und -sportler werden hier im Rahmen des Verbundsystems Schule-Leistungssport von der Stadt Hamburg, dem Hamburger Sportbund und dem nahe gelegenen Olympiastützpunkt gefördert. Verbandstrainerinnen und -trainer bereiten die Mädchen und Jungen gezielt auf eine Karriere im Leistungssport vor. Sie besuchen spezielle Sportklassen oder werden in sportbetonte Klassen integriert, in die auch Dulsberger Kinder gehen. Hier sitzt der Ruderer, der sonst vielleicht auf ein Gymnasium an der Alster gegangen wäre, in der Oberstufe neben einer Mitschülerin mit anderer sozialer Herkunft. Das hat positive Synergieeffekte: „Die Leistungssportlerinnen und -sportler inspirieren die Kinder und Jugendlichen aus dem Stadtteil zu mehr Anstrengung. Andersherum wird deutlich, dass gute Lebensbedingungen nicht selbstverständlich sind in unserer Welt“, so Christian Andresen, Leiter der Abteilung Sport am ATw. Er macht deutlich: „Wir sind eine Schule für alle!“
Das Vereinstrikot als Privileg
Sibel ist eine der wenigen, die aus Dulsberg kommt. Auf ihr Talent wurde ihr Trainer in einem Nachmittagskurs der Stadtteilschule aufmerksam. Jetzt ist die 15-Jährige Mitglied im Eimsbütteler TV. „Ich trainiere viermal wöchentlich im Verein und dreimal in der Schule“, erzählt sie, während sie den nächsten Satz an der Langhantel vorbereitet. Die 50 Kilo meistert sie scheinbar mühelos. Fincke bedauert, dass nur wenige Sporteliteschülerinnen und -schüler aus dem direkten Einzugsgebiet der Stadtteilschule stammen.
Tatsächlich kommen nur fünf der geförderten 100 Fußballschülerinnen und -schüler und nur drei der anderen 300 Sportlerinnen und Sportler aus Dulsberg.
Sportförderung in der Breite
Christian Andresen sitzt in seinem Büro. An den Wänden hängen die Trikots einiger der erfolgreichsten Absolventinnen und Absolventen der Schule. Die Vitrinen im Lehrertrakt sind voll mit Pokalen. „Es geht bei uns aber nicht nur darum, Kinder aus dem Leistungssport zu fördern. Unser Sportschwerpunkt wirkt auch in der Breite“, so Andresen. Bei Schulwettkämpfen im Basketball, Judo oder Fußball spielen die Dulsberger Schülerinnen und Schüler aus den sportbetonten Klassen zusammen mit den Leistungssportlerinnen und -sportlern in einer Mannschaft.
Die Schule und ihre Auszeichnungen
Die Grund- und Stadtteilschule Alter Teichweg ist seit 2007 als „Eliteschule des Sports“ anerkannt. Bundesweit gibt es 43 solcher Schulen. Bei der Hamburger SportTalent-Gala am 10. Oktober wurde sie außerdem als „Eliteschule des Jahres 2023“ gekürt. 1.800 Kinder aus mehr als 80 Nationen besuchen die Startchancen-Schule in Dulsberg, einem der sozioökonomisch schwächsten Stadtteile Hamburgs. Die Schule fördert junge Sporttalente durch ihre „besondere Vereinbarkeit von Leistungssport und Schule“. Damit trägt sie laut Jury maßgeblich zum Erfolg des Spitzensports in Deutschland bei.
Seit 2006 hat sich die Zahl der Sportklassenschülerinnen und -schüler am ATw nahezu verdoppelt und liegt nun bei rund 400 Schülerinnen und Schülern. Ab der fünften Klasse gibt es in jeder Klassenstufe eine oder zwei Sportklassen – insgesamt 17 –, in denen ausschließlich die ausgewählten Talente der zwölf Sportverbände gemeinsam lernen. In zwölf sportbetonten Klassen lernen Leistungsfußballerinnen und -fußballer sowie Kinder und Jugendliche aus dem Stadtteil gemeinsam. Darüber hinaus gibt es 35 Regelklassen an der Schule.
Folgende Sportarten werden besonders gefördert: Badminton, Hockey, Rudern, Schwimmen, (Beach-)Volleyball, Fußball, Basketball, Handball, Judo, Tennis, Leichtathletik und Golf. Die Nachwuchssportlerinnen und -sportler trainieren neben der Schule bis zu 16 Stunden in der Woche und werden für Wettkämpfe freigestellt. An der Schule gibt es das sogenannte gestreckte Leistungssport-Abitur, das in 14 Schuljahren absolviert wird und den Kindern mehr Zeit für Training, Wettkämpfe und Regeneration lässt.
Eine Antwort
Wie gelingt es Eurer Meinung nach, an Schulen mit sozialer Vielfalt sowohl sportliche Spitzenleistungen zu fördern als auch den Zusammenhalt zwischen Leistungssportlern und anderen Schülerinnen und Schülern zu stärken?