Wer, wie, was? Das Forschungsprojekt im Überblick
Finanziert, initiiert und durchgeführt wurde das Projekt von der Alfred Toepfer Stiftung F. V. S. sowie der Joachim Herz Stiftung in Zusammenarbeit mit der Hamburger Bildungsbehörde und der Universität Oldenburg. An dem Projekt nahmen vier Schulen aus Hamburg teil, die alle in Gebieten mit sozialen Herausforderungen und somit einem erhöhten Risiko für Schulabsentismus liegen: die Grundschulen Neugraben und Großlohering, die Grund- und Stadtteilschule Altrahlstedt und die Stadtteilschule Süderelbe.
Nach einer ausführlichen Bestandsaufnahme an jeder Schule erarbeiteten die Projektpartner jeweils gemeinsam mit einem Team aus Schulleitung, Lehrkräften und Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern spezifische Ziele und Maßnahmen für die jeweiligen Schule, die dann umgesetzt, gemonitort und regelmäßig evaluiert wurden. Zunächst wurde an allen Projektschulen ein digitales Anwesenheitssystem angeregt. So ist es besser möglich, schnell auf unentschuldigte Fehlzeiten zu reagieren und Muster zu erkennen.
Über den Projektzeitraum hinweg konnten Lehrkräfte und das Schulpersonal an Fort- und Weiterbildungen – etwa zu Konfliktbewältigung oder Classroom-Management – teilnehmen. In den Kollegien gibt es nun speziell geschulte Ansprechpartnerinnen und -partner für Schulabstinenz, an die sich Lehrkräfte wenden können, wenn Probleme auftreten. Ebenso wurden der Austausch und die Zusammenarbeit mit den Eltern und den Bildungsakteuren intensiviert, um Synergien zu schaffen. Auch die Schülerinnen und Schüler hatten ein Mitspracherecht. An einer der Projektschulen hat jeder Jahrgang einen „Chillraum“ zum Zurückziehen bekommen, eine andere Schule hat den Unterrichtsrhythmus angepasst, um die Lernmotivation zu steigern.
Die Bilanz: Schulen können Schulabstinenz auch ohne Bußgelder reduzieren
Die Pandemie erschwerte die Durchführung des Projekts zunächst erheblich, aber in der zweiten Hälfte konnten auch Maßnahmen für den Präsenzunterricht an den jeweiligen Schulen implementiert werden. Das Ergebnis: An allen vier Schulen verbesserten sich die Bedingungen für einen regelmäßigen Schulbesuch, was sich teilweise auch in höheren Anwesenheitsquoten niederschlug.
Hintergrundinformationen und die Ergebnisse des Forschungsprojekts hat das Projektteam in einem Handbuch für Schulen ausführlich zusammengefasst. Dieses enthält unter anderem Checklisten für die Bestandsaufnahme und Module zur Prävention und Intervention inklusive Umsetzungsbeispielen und Kopiervorlagen. Die Nachfrage war und ist groß. Auch wenn die Handhabung von Schulabsentismus je nach Bundesland variiert, scheint es doch einen Paradigmenwechsel zu geben: Bußgelder helfen nur selten, man sollte erst mal die pädagogischen Möglichkeiten ausschöpfen.
Schulabsentismus verringern: Tipps für Schulen
- Offene und konstruktive Haltung im Kollegium: Fälle individuell und frühzeitig besprechen, damit kein Gewöhnungsprozess entsteht.
- Anwesenheit systematisch erfassen: So können Probleme frühzeitig erkannt werden.
- Schnelle Reaktion: bei unentschuldigtem Fehlen direkt Kontakt aufnehmen, auch um die eigene Haltung klar zu zeigen.
- Schulklima verbessern: Schule unter Einbindung der Schülerinnen und Schüler einladend gestalten, damit sich alle wohlfühlen.
- Sicherheit schaffen: Präventions- und Deeskalationsmaßnahmen gegen Mobbing und Gewalt aufbauen.
- Positive Beziehungen aufbauen: eine intensive Schüler-Lehrer-Beziehung und ein Gefühl für die richtige Mischung aus Freiheit und Grenzen entwickeln, die Schülerinnen und Schüler mit auffälligem Verhalten brauchen.
- Emotionale und soziale Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler fördern: zum Beispiel durch Beratungsangebote, Buddy-Programme oder Kompetenztraining.
- Kooperation mit Erziehungsberechtigten: Austausch und Abstimmung ist hier besonders wichtig.
- Netzwerke mit externen Einrichtungen: So können gegebenenfalls Synergien geschaffen werden.
Heinrich Ricking ist seit 2022 Professor an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. Am Institut für Förderpädagogik forscht er im Bereich „Emotionale und soziale Entwicklung unter Berücksichtigung sonderpädagogischer Förderung und inklusiver Kontexte“. Ricking leitete das Forschungsprojekt „Jeder Schultag zählt“.
Weitere Informationen zum Forschunsprojekt „Jeder Schultag zählt“ finden Sie hier: