Sprachförderung

„Wir versuchen, den Unterricht möglichst sprachsensibel zu gestalten“

In sprachlich heterogenen Klassen zu unterrichten geht oft auf Kosten der Lerninhalte. Lehrer Moritz Janßen erzählt, wie sie am „Elly“ damit umgehen.

Laut Landesstatistikamt IT.NRW hatten 43 Prozent der Schülerinnen und Schüler in NRW im Schuljahr 2023/24 eine Migrationsgeschichte. Damit gehen oft sprachliche Barrieren einher. Wie ist es am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium?

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Moritz Janßen: Bei uns am Elly haben mehr als 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass sie sprachliche Defizite haben. Viele sind in dritter oder vierter Generation in Deutschland. Um uns einen Überblick zu verschaffen, führen wir regelmäßig Sprachtests durch. In einigen Regelklassen sprechen alle gut Deutsch, aber es gibt auch Klassen, in denen Schülerinnen und Schüler Sprachbarrieren haben. Das kann den Unterricht spürbar verlangsamen. In unseren Vorbereitungsklassen, die 2015 speziell für neu zugewanderte Jungen und Mädchen eingerichtet wurden, starten hingegen viele ohne jegliche Deutschkenntnisse. Schablonenartig können wir unsere sehr heterogene Schülerschaft längst nicht mehr unterrichten.

Wie gehen Sie damit um?

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Janßen: Wir arbeiten mit verschiedenen Ansätzen. Zunächst ist es wichtig, Unterrichtsmaterial vorzuentlasten. Nehmen wir das Beispiel Politik in der fünften Regelklasse: Die Kinder kennen oft wichtige Begriffe nicht. Wir besprechen sie zuvor und schreiben sie auf. Zusätzlich erarbeiten wir mit unseren Schülerinnen und Schülern eine Art „Lexikon“. Dort tragen wir fachspezifische, aber auch fächer­übergreifende Begriffe ein, die häufig vorkommen. Darauf können sie dann während des Unterrichts zurückgreifen. Das alles kostet aber Zeit, die vom eigentlichen Unterricht abgeht. In den Vorbereitungs­klassen verfolgen wir ein fließendes System: Sobald Schülerinnen und Schüler entscheidende sprachliche Fortschritte machen, wechseln sie in ein höheres Sprachniveau. Und wenn sie spezifische Stärken etwa in Englisch haben, können sie am Englischunterricht der Regelklassen teilnehmen.

Dass wir das individuell erkennen und entsprechend reagieren können, verdanken wir einem Kollegen, der jede Klasse „diagnostiziert“. Er ist für die Sprach­entwicklung an unserer Schule verantwortlich und sieht aus übergeordneter Perspektive, wer Unterstützungs­bedarf hat. Wir versuchen also insgesamt, den Unterricht möglichst sprachsensibel zu gestalten. Mit einer extra Testung der Recht­schreib­­kompetenzen zu Beginn der fünften Klasse, Förderkursen in Kleingruppen sowie verschiedenen Bausteinen innerhalb unserer „Deutsch Plus (+)“-Stunden für alle fünften und sechsten Klassen fördern wir unsere Schülerinnen und Schüler zusätzlich.

Was müsste passieren, damit Sie den Unterricht in mehrsprachigen Klassen weiter verbessern können? ​

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Janßen: Zentrale Hebel wären zusätzliche personelle Ressourcen und mehr Flexibilität in den Lehrplänen. Wir haben nur eine Schulsozial­arbeiterin bei 800 Schülerinnen und Schülern. Wir bräuchten zusätzliche Fachkräfte, beispielsweise Teamteacherinnen oder Teamteacher, die in den Klassen unterstützend arbeiten. So könnten wir intensiver auf einzelne Schülerinnen und Schüler eingehen – insbesondere in Klassen mit sehr vielen Kindern, die zusätzliche Förderung benötigen. Auch eine Entschlackung der Lehrpläne würde helfen: Derzeit bleibt oft keine Zeit, aktuelle Themen wie die Inflation ausführlich zu behandeln, weil wir den vorgegebenen Schulstoff abarbeiten müssen. Dabei wäre eine Ausrichtung auf aktuelle Themen und Ereignisse wichtig, damit unsere Schülerinnen und Schüler besser nachvollziehen können, wofür sie eigentlich lernen.

Foto: © Moritz Janßen
Moritz Janßen machte 2021/22 sein Referendariat am Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium in Duisburg-Marxloh. Er unterrichtet in den Fächern Englisch und Politik und darüber hinaus in internationalen Vorbereitungs­klassen Schülerinnen und Schüler, die kein Deutsch sprechen.

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