Gespannte Stille herrscht in der Sporthalle der James-Krüss-Grundschule in Köln-Ostheim. Wo sonst Kinder Bälle werfen und turnen, blicken an diesem lauen Märzabend Eltern, Lehrkräfte und Gäste gebannt auf die Viertklässlerinnen und Viertklässler, die sich an der kurzen Seite der Halle aufgestellt haben. Dann stimmt der zehnjährige Yahya aus der 4c voller Inbrunst einen Gesang an, der nur selten an einer deutschen Schule zu hören ist: den Azan, den muslimischen Gebetsruf.
An diesem Abend im Fastenmonat Ramadan hat die James-Krüss-Grundschule zusammen mit den muslimischen Eltern die drei vierten Klassen zum Iftar eingeladen, dem muslimischen Fastenbrechen. Tische und Wände sind einladend geschmückt, lange Ketten mit glitzernden Lämpchen verbreiten eine festliche Atmosphäre. Kleine Tellerchen mit Datteln heißen die Besucherinnen und Besucher willkommen. Es duftet nach orientalischen Köstlichkeiten, am Büfett reihen sich Schüsseln mit dampfenden Reisgerichten, Couscous, buntem Gemüse, Linsen- und Joghurtsuppen, Salaten, Hummus und süßen Nachtischen aneinander.
Letzte Vorbereitungen laufen: Am frühen Abend des 19. März wird kurz vor Eintreffen der Gäste noch fleißig geschmückt.
Die Kaaba ist ein quaderförmiges Gebäude im Innenhof der Heiligen Moschee in Mekka und gilt als „Haus Gottes“.
Traditionen in die Schule tragen
Für die Familien der Schülerinnen und Schüler ist dies ein ganz besonderer Abend. Viele Erwachsene und sogar einige Kinder haben seit der Morgendämmerung gefastet – für gläubige Musliminnen und Muslime einer der wichtigsten Gottesdienste, da er zu den verpflichtenden fünf Säulen des Islam gehört. Mit dem Verzicht auf Essen, Trinken, schlechte Gedanken und Taten wie Verleumdung, Lügen oder Beleidigungen bezeugen sie ihren Glauben und ihre Dankbarkeit gegenüber Gott. Jeden Tag bei Sonnenuntergang brechen sie das Fasten. Und diese Glaubenspraxis begehen sie heute, am 19. März, in der Grundschule ihrer Kinder – zusammen mit vielen anderen Familien, Lehrkräften sowie Betreuerinnen und Betreuern der offenen Ganztagsschule. Auch nicht muslimische Menschen sind dazu eingeladen und sehr willkommen.
Sie sei ein bisschen aufgeregt, verrät Schulleiterin Christiane Hartmann bei ihrer Begrüßung. Dass muslimische Feste in so großem Rahmen gefeiert werden, ist auch an der James-Krüss-Grundschule neu. Im Schuljahr 2022/2023 hatte die dreizügige inklusive Grundschule erstmals zum Iftar eingeladen und war überwältigt von der positiven Resonanz. Die Idee hatte Gülcan Oskay von der Gemeinschaftsgrundschule Halfengasse in Köln-Niehl eingebracht, und nach dem zweiten gelungenen Abend war klar: Das Fastenbrechen wird einen festen Platz im Schulkalender bekommen.
Dieser ist an der Kölner Schule ohnehin bereits gut gefüllt. Hier feiern sie die Feste, wie sie fallen. Ob das in Köln beliebte Sankt Martin, an dem das Teilen gepriesen wird, Weihnachten, Karneval oder Ostern – christliche Traditionen und regionales Brauchtum stehen wie an vielen Schulen im Jahresplan. Und dann kommen neben dem muslimischen Iftar noch weitere Feiern dazu. Beim kurdisch-persischen Neujahrsfest Nouruz gehen Kinder in traditionellen Festtagsgewändern durch die Klassen und verteilen Süßigkeiten. Auch über ein Fest für die Jesidinnen und Jesiden denkt Schulleiterin Hartmann nach.
„Wir möchten, dass alle Schülerinnen und Schüler ihre Identität und das, was sie an Kultur, Religion und Sprache mitbringen, mit Selbstvertrauen leben.“
Auszug aus dem Leitbild der James-Krüss-Grundschule in Köln
Der Glaube macht nicht am Schultor halt
Warum dieses vielseitige Festprogramm? „Vielfalt zeichnet unsere Schulgemeinschaft aus“ – so steht es im Leitbild der James-Krüss-Grundschule. Und weiter heißt es: „Wir möchten, dass alle Schülerinnen und Schüler ihre Identität und das, was sie an Kultur, Religion und Sprache mitbringen, mit Selbstvertrauen leben.“ Glaube und Traditionen, die in den Familien der Kinder eine große Rolle spielten, würden in vielen Schulen am Schultor abgegeben, meint Hartmann. „Bei uns dürfen die Kinder sie mitbringen und zeigen. Wir nehmen sie neugierig wahr und lernen von ihnen.“ Umgekehrt erwarte die Schule aber auch die Präsenz bei christlichen Feierlichkeiten.
Was hinter dem Ramadan wirklich steckt, erklären beim Iftar-Abend die Kinder mit vor Aufregung bebender Stimme. Wer fastet, und wer muss nicht fasten? Was passiert am Ende des Fastenmonats? Die Gäste erhalten eine Kurzeinführung in die islamische Religion. Nach dem Gebetsruf füllen sich alle die Teller und greifen zu. Während die orientalisch gewürzten Köstlichkeiten für Nichtmusliminnen und -muslime nach fernen Ländern schmecken, fühlen sich die muslimischen Familien beim gemeinsamen Essen wie zu Hause.
Zeichen der Wertschätzung
Am Büfett steht die Schulpflegschaftsvorsitzende Zühal Kabataş und lächelt. Sie hat schon bei der Planung geholfen, Tische aufgebaut und geschmückt. Jetzt verteilt sie zusammen mit anderen Müttern das Essen am Büfett, das die Eltern so großzügig bestückt haben. Kabataş bedeutet der Iftar-Abend in der Schule viel. „Es beeindruckt mich, dass Lehrkräfte, Eltern und Kinder zusammenkommen, um unsere Tradition zu teilen und zu würdigen. Ich empfinde das als Zeichen der Wertschätzung. Die Schule gibt uns das Gefühl, dass alle willkommen und geschätzt sind, unabhängig von kulturellen und religiösen Zugehörigkeiten“, sagt sie. Auch die Kinder seien schon während der Vorbereitungen begeistert gewesen.
Angeleitet wurden sie von den Lehrerinnen Seyma Yalcin und Ümmü Ciblak. Sie haben die Feier organisiert, Eltern per Schul-App eingeladen, abgefragt, wer welche Speisen mitbringt – und den Abend mit den Kindern im islamischen Religionsunterricht vorbereitet. „Es geht beim Ramadan nicht nur um den Verzicht auf Essen und Trinken, sondern um viel mehr. Uns lag es am Herzen, auch den nicht muslimischen Familien mitzugeben, was diese spirituelle Zeit für uns Musliminnen und Muslime wirklich bedeutet“, sagen die beiden Religionslehrerinnen. Im Ramadan laden sich Musliminnen und Muslime gegenseitig zum Iftar ein und verbringen die Zeit gemeinsam – genau das wolle die Schule mit der Einladung rüberbringen.
Vom Gefühl, dazuzugehören
„Für mich ist das ein Zeichen der Toleranz und eine große Herzenssache, dass wir hier alle gemeinsam Iftar feiern.“
Muhammed Yazici, Vater einer Schülerin der James-Krüss-Grundschule in Köln
Mehr hätte sich das Team der James-Krüss-Grundschule nicht wünschen können. „Die Eltern schenken uns Vertrauen, sie melden auch die jüngeren Geschwister an unserer Schule an. Dass sie sich willkommen und wohlfühlen, liegt auch an Veranstaltungen wie dieser“, meint Schulsozialarbeiterin Claudia Rodríguez. Und Schulleiterin Hartmann glaubt: „Der Abend wirkt in die Familien zurück und zeigt ihnen, dass sie hier ihren Platz haben.“ Vertreterinnen und Vertreter aller Religionen könnten vom gemeinsamen Feiern lernen: „Ich muss meins nicht aufgeben, wenn ich das andere kennenlerne!“
Übersichtskalender: Feste aus aller Welt
Im Interkulturellen Kalender des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge werden Schulleitungen auf der Suche nach Festen verschiedener Religionen fündig. Der Kalender zeigt die Vielfalt von Feier- und Gedenktagen verschiedener Kulturen und Religionen, die in Deutschland gemeinsam leben.
Auch das Land Nordrhein-Westfalen bietet eine Übersicht der Feierlichkeiten an. Eine Monatsübersicht erklärt ausführlich die religiösen Anlässe und Feste. Wie man zu den wichtigsten Festen gratuliert, steht hier.
2 Antworten
Welche religiösen Feste feiert Ihr in Euren Schulen?
Ich finde, dass das eine supertolle Idee ist. Integration kann eben nur gelingen, wenn alle von- und miteinander lernen und sich offen zeigen für das Gegenüber. Weiterführende Schulen sind oftmals so große Systeme, dass solche Ideen nur bedingt praktikabel übertragbar sind. Aber bei uns wurde auch in einer AG eine tolle Ramadan-Girlande gebastelt, die während des Fastenmonats unser Schulgebäude geschmückt hat.