Kulturelle Bildung

„Die Sprache der Musik verstehen sie“

Klaus Hagge bringt Tanz, Theater und Musik in das Leben der Kinder. Wir sprachen mit dem Schulleiter über seine Arbeit im Stadtteil Duisburg-Marxloh.

Im Alltag der Kinder an der Gemeinschafts­grundschule Sandstraße spielt Musik eine wichtige Rolle – von Improvisation und Tanz bis hin zu Opernbesuchen. Was möchten Sie damit erreichen?

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Klaus Hagge: Als ausgebildeter Musiklehrer im Grundschulbereich möchte ich den Kindern eine grundlegende musikalische Bildung mitgeben. Schon vor 20 Jahren hatten wir musische Projekte mit Künstlerinnen und Künstlern. Das war toll, aber häufig gab es dann ein Abschlusskonzert, und das war’s. Ich wollte etwas Nachhaltiges auf die Beine stellen. Zusammen mit dem Klavier-Festival Ruhr haben wir 2007 ein Konzept entwickelt, das in unseren Schulalltag integriert ist: Ich vermittle musikalische Grundlagen, während sich die Kunstschaffenden mit ihren Ideen von neuer Musik einbringen, mit den Kindern tanzen und improvisieren. Das Schöne daran: Inzwischen sind alle Marxloher Schulen in das Klavier-Festival-Projekt involviert. An der GGS Sandstraße haben die Kinder jede Woche zwei Stunden Musikunterricht durch ausgebildete Musiklehrerinnen und Musiklehrer und weitere zwei Stunden Tanz, Theater, Musik oder bildende Kunst mit externen Künstlerinnen und Künstlern. Wir leben das!

„Die Sprache der Musik verstehen sie, weil Musik über klare Strukturen verfügt.“

Die meisten Kinder an Ihrer Schule sprechen kaum Deutsch. Was kann Musik da ausrichten?

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Hagge: Unsere Schülerinnen und Schüler haben zu 90 Prozent überhaupt keine Sprache. Zu Hause wird mit ihnen oft weder gespielt noch gesprochen. Es fehlen alle Voraussetzungen für den Spracherwerb. Aber ich sehe, wie die Kinder ihre Ohren spitzen, wenn sie Musik hören. Die Sprache der Musik verstehen sie, weil Musik über klare Strukturen verfügt. Wir singen gemeinsam, sprechen rhythmische Texte. In Liedern wie „Hänschen klein“ steckt viel Potenzial zum Lernen. Die Musik gibt den Kindern eine Struktur vor, an die sie Wörter dranhängen können. Über das Verinnerlichen von Text und Rhythmusstruktur baue ich Sprache auf. Ganz nebenbei machen wir im Musikunterricht lustige Geräusche und lachen viel darüber. Damit erreichen wir, dass die Kinder gerne zur Schule kommen. Manche stehen in den Ferien vor der Tür und sind traurig, dass sie nicht hineinkönnen. 

Viele Familien in Marxloh plagen existenzielle Sorgen. Haben sie überhaupt Zugang zu Kunst und Kultur?

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Hagge: Einmal im Jahr machen wir eine große Aufführung im Landschaftspark Duisburg-Nord. Da nehmen die Eltern plötzlich wahr, dass ihr Kind auf einer großen Bühne steht und zeigt, was es kann. Auch wenn sie „bildungsfern“ sein mögen, spüren sie doch, dass da etwas Großes mit ihrem Kind passiert. Die Kinder erbringen über ihre gesamte Grundschulzeit enorme musikalische Leistungen. Was sie dabei lernen, ist unendlich viel. Plötzlich entdecken Kinder besondere Fähigkeiten an sich, die sonst nie sichtbar geworden wären. Das Entscheidende ist: Sie entwickeln ein Selbstwertgefühl. Jedes Kind besitzt Potenziale, wir müssen sie nur wecken. 

Foto: © Wübben Stiftung Bildung/Martin Magunia

Klaus Hagge arbeitet seit 1999 als Musiklehrer an der GGS Sandstraße in Duisburg-Marxloh, seit 2016 ist er dort Schulleiter. Seine Schule und vier weitere Marxloher Schulen haben sich zum Bildungsfairbunt.Marxloh zusammengeschlossen, um Marxloher Kinder und Jugendliche zu fördern. Der Bildungsfairbunt wird von der Stadt Duisburg, dem Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen und der Wübben Stiftung Bildung unterstützt. Das Titelbild ist beim Auftakt des Bildungsfairbunt entstanden.

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